Vom Blühen und Verglühen
Erotik in Zeiten sozialer Not
„Es gibt keine Schuld. Es gibt nur den Ablauf der Zeit.“ Kurt Tucholsky münzte den Satz auf das Private: auf allerlei Tabubrüche und ein ausschweifendes erotisches Leben. Das Öffentliche aber war mit Schuld aufgeladen nach Revolution, Rebellion, Putsch und politischen Morden: Berlin, mit fast vier Millionen Einwohnern, war die schillerndste deutsche Stadt. Auf der einen Seite zügellose Vergnügungssucht, wilde Partys, Drogen, massenhaft freizügige Varietés und Bordelle, auf der anderen Seite Wohnungsnot, Armut, öffentliche und private Schulden. Die „Goldenen 20er“ waren für „die große Liebe“ keine goldenen Jahre. Es gab eine neue Selbstbestimmtheit – besonders auch der Frau, aber das führte zu reichlich ungenierter heterosexueller wie lesbischer Promiskuität – vor allem im Künstler-Milieu.
Der Abend mit von Rudi Schubert neu komponierten Gedichten von Bertolt Brecht, Mascha Kaléko, Erich Kästner und Kurt Tucholsky bietet literarisches Chanson vom Feinsten. Lieder vom Liebesrausch und bestürzender Gefühlskälte, vom trotzigen Glauben an ein zweisames Glück und seiner heillosen Entzauberung, von Ballgeflüster und käuflichem Liebesmarkt. Der Grundtenor bleibt: „Gewiss ich bin sehr happy. Doch glücklich bin ich nicht.“
Gesang und Schauspiel:
Véronique Kinnen
Klavier und Gesang:
Rudi Schubert